Aussaat im August, Selbstversorgung ohne Stress und die Sommerfrage: Wohin mit der ganzen Ernte?

Wenn das Licht der Sonne auch in den späteren Stunden des Morgens die Landschaft noch goldig färbt, dann weiss ich: Der Herbst sendet seine Vorboten durchs Land. Wir befinden uns hier noch in den letzten Zügen des phänologischen Spätsommers und bald schon im Frühherbst. Während viele Menschen schon ans Ende einer Aussaatsaison denken, geht`s bei uns nochmals richtig los.

Liebe Leserin, lieber Leser dieser Zeilen

Auch der Winter kann Erntezeit sein. Die dunkle Jahreszeit lässt die Vegetation zwar kaum wachsen und dennoch ist es möglich, mineral-, vitamin- und enzymreiches Gemüse aus dem Garten zu ernten. Für diese Zeit muss aber jetzt schon vorgesorgt werden. Im August kann noch viel ausgesät werden. Die Kartoffelbeete sind schon seit Wochen abgeräumt und machten den Platz für eine Mischkultur von Etagenzwiebeln, Schnittknoblauch, Federkohl und Schnittsellerie. In anderen Beeten säe ich ausdauernde Rauke (mehrjähirger Rucola), Schnittsalate, Spinat, Lattich, einen 2ten Satz Ackerbohnen, Steckrüben, Winterrettich, Winterpostelein, Rote Beete (zum Entsaften der Blätter bis zum ersten Frost), Feldsalat, Wilde Möhre (ebenfalls für die Blätter), Schnittzichorien, Borretsch und Mangold. Die ausdauernde Rauke zum Beispiel blüht bei mir immer gegen Ende Dezember bis in den März hinein. Sie füttert in dieser kargen Zeit viele Insekten an warmen Tagen oder beschert uns einen Blütensalat zu Wintersonnenwende und Weihnachten. Auch Mikrogrün auf den Beeten auszusäen ist noch bis in den Oktober hinein möglich. Weizengrass, Sonnenblumensprossen, Erbsengrün und Co. wachsen fantastisch auf den Beeten, brauchen aber je nach Lichtexposition einen Sonnenschutz in den frühen Stadien. Für Mizuna, Blattsenf und Knoblauch scheint es mir noch etwas zu früh zu sein (man kann sie aber jetzt schon säen), sie werden Mitte September gesät.  

Die ersten Bäume werde ich ebenfalls jetzt säen. Vor allem Steinfrüchte wie Kirschpflaumen, Mirabellen und Pfirsiche haben eine harte Schale, die eine Lange zeit zum Durchrotten braucht. Ausserdem sind die meisten hiesigen Fruchtbäume sogenannte Kaltkeimer. Sie brauchen eine gewisse Kälteperiode, um überhaupt keimen zu können. Ich feile schon seit einigen Jahren an der besten Baumaussaattechnik und habe immer wieder Erfolge und Misserfolge damit. Wie sät ihr Steinfrüchte (auch jene, die als Unterlage gedacht sind) aus? Schreibt`s mir doch bitte in die Kommentare.

Es gibt so einige Pflanzen, die ich ebenfalls dieses Jahr säe, um im nächsten Jahr ihre Blüten oder Samen ernten zu können. Es sind Gewächse, die noch in diesem Jahr eine Rosette ausbilden, so überwintern und dann im nächsten Jahr blühen. Dazu gehören Möhren (wilde und Kulturformen), Nachtkerzen, Königskerzen, Zündkerzen (die keimen bei mir immer schlecht 😊), Karde (mehrere Arten), Mariendistel, Eselsdistel, Stockrose und Wegwarte. Es sind auch die Pflanzen, die sich in der Krautschicht unseres späteren Agroforstes als Halbwildes Gemüse immer wieder selbstaussäen sollen.

Viel zu Ernten und die Frage wohin damit

Sobald die Beete gemacht sind und mit Mulch gearbeitet wird, ist die eigentliche Arbeit neben dem Giessen und dem mähen der Wege vor allem das Ernten. Viele Menschen, die (noch) nicht Gärtnern und ihre Lebensmittel anbauen, sind immer wieder erstaunt darüber, wenn ich sage, dass ich mit dem Ernten nicht nachkomme. Ernten ist ein riesiges Stück Arbeit in einem Garten, Marktgarten oder in einer Landwirtschaft, die nicht so sehr mechanisiert ist. Schon Ende März schiesst einem das Wildgemüse entgegen und aus allem Pesto zu machen, kann auch keine Lösung sein. Im April schiesst es dann noch mehr. Die Salatbäume (siehe meinen früheren Artikel, der unten verlinkt ist) tagen reichlich, die letzten Wurzeln werden noch von Nachtkerze, ähriger Rapunzel, jap. Staudenknöterich (ja auch dieser «böse» Neophyt ist sehr heilsam) und von der Nelkenwurz geerntet. Es wachsen Kapern auf den Wiesen und müssen eingelegt werden. Im Mai blüht der Holunder und die Linde, die ebenfalls meiner Aufmerksamkeit bedürfen. Ausserdem kann man jetzt im Garten reichlich Salate und schon die ersten Kefen ernten. Im Juni wird der Erntekorb mit Ackerbohnen, Salaten, Erdbeeren, Kirschen, Maibeeren, Johinisbeeren, Radies, Schnittlauch u.s.w. gefüllt um dann im Juli mit den ersten Tomaten, Basilikum, noch einige Wildblumen, Zucchini, Stangenbohnen, Gurken, Malven und Himbeeren überzuquellen. Der August ist ebenfalls ein Wonnemonat der Gemüse- und Beerenfrüchte aber auch der Birnen, Mirabellen, Zwetschgen, Feigen und frühen Äpfel. Zucchini geben immer noch richtig Gas und die Gurken reifen noch bis in den September hinein an ihren Ranken. Ein kontinuierliches Allegro der Fülle also. Aber wohin mit den ganzen Geschenken? Selbst als Liebhaber der nichtgekochten Nahrung (d.h. hoher Gemüse und rüchtekonsum) kann ich auch nur so viel ernten. Verschenken wäre ja auch möglich, nur die Gärten der Nachbarn sind ebenfalls gefüllt (auf dem Land haben noch viele Leute einen Garten ums Haus) und viele Gewächse aus meinem Anbau kennen sie nicht. Also muss ich meine Ernte durch Fermentation, Trocknen und Einfrieren haltbarmachen.  Bald gesellen sich dann noch die Nüsse, späteren Apfelsorten und Langzeitkulturen wie Kohle (damit sind auch Brokkoli ect. gemeint), Sellerie (Knollen und Stauden), rote Beete u.s.w. dazu. Bereit für den Winter oder einen zweiten Lockdown…?

Lebensmittelversorgung ohne Hektik

Wie viele Male habe ich mich selbst mit dem Anbau gestresst? Immer wieder säen, pikieren (ausdünnen der Sämlinge), pflanzen, vor Schnecken schützen, hochbinden, auf Krankheiten kontrollieren, vor Dürren schützen und so weiter und so weiter und so weiter….fort. Ich gärtnere so intensiv, weil meine Lebensmittel in unserer Kulturlandschaft immer wieder von Gülle oder der so sehr gerühmten Landschaftspflege zum Opfer fallen. Mich macht es traurig zu sehen, dass man kaum noch Himbeeren und Johannisbeeren wild finden kann, da die Waldränder bis an die hohen Bäume heran zurück gemäht werden. Noch scheint der ewige Dualismus zwischen Wald und landwirtschaftlicher Fläche, zwischen «gepflegtem» Kulturland und Wald (der Gottseidank immer weniger aufgeräumt wird) die Denkweise vieler Menschen zu dominieren. Landschaftspflege kann sehr sinnvoll sein, aber wird meiner Meinung nach in der Schweiz übertrieben (wenn euch die Gründe interessieren, dann lasst es mich bitte in den Kommentaren wissen). Ich schweife ab. Weil genau diese, nicht in den Dualismus passende und rare Randzonen so artenreich sind, orientiere ich mich bei der Gartengestaltung mehr an jenen Biotopen und ihrer grossen Fülle an mehrjährigen Pflanzen. Denn mehrjährige Gewächse müssen nicht immer wieder gepflanzt werden und können uns ebenfalls ernähren (zusammen mit den Einjährigen). Ich will mir nicht mehr die Arbeit aufhalsen, die sich ein Teil meiner, sich selbsversorgenden Ahnen bereitet hat. Pflanzlich zu leben hat da einen riesigen Vorteil. Man muss nicht um 5 Uhr aufstehen, nur um seine Haselnüsse zu melken. Tiere als Nutztiere zu halten ist viel Arbeit und hinsichtlich der Alternative einer vielfältigen, lokalen und pflanzlichen Ernährung auch fragwürdig. Die Natur gibt uns immer dann genau das richtige, wenn wir es brauchen. Ob es nun «Unkräuter» sind, die nur in deinem Garten zu keimen scheinen oder einfach nur die verschiedenen Ernten durchs Jahr hindurch; auch unser Körper hat je nach Jahreszeit verschiedene Bedürfnisse. Auch die Art, wie ich anbaue, hat sich in den vielen Jahren immer wieder geändert und an die lokalen Gegebenheiten angepasst. Der japanische Bauer Masanobu Fokuoka fragte sich immer wieder: «Was muss ich nicht tun?». Er hat mich mit seinen Werken sehr inspiriert. So versuche auch ich, unnötige Arbeiten zu vermeiden. Ohne umgraben zu arbeiten, ist nur eine der vielen Techniken, die wir bei uns im Garten anwenden.

Der Natur vertrauen

Wenn wir die Natur beobachten, können wir erkennen, dass alles zu der Zeit gedeiht, in der es mit seiner Wirkung am meisten gebraucht wird. Auch ausserhalb des hortus inclusus (also einem mauer- oder Zaunumringten Gartens) gibt es zu jeder Jahreszeut etwas zu ernten. An warmen können wir den leicht süsslichen Birken und Ahornsaft zapfen und unsere Körper mit den Wurzeln der noch schlafenden Pflanzen, Winterpilzen wie dem Austernseitling, den gesammelten Samen des Vorjahres (auch in Form von Sprossen) und den proteinreichen Kätschen von Hasel und Birke stärken. Die starken Grünen Krieger keimen uns dann ab Februar der Sonne entgegen und helfen unsere, System zu entgiften, der Frühjahrsmüdigkeit entgegenzuwirken und unser Blut mit ihrem Chlorophyll wiederaufzubauen. Die letzten Wurzeln können noch bis in den April geerntet werden. Frühjahrsblüher wie der Löwenzahn unterstützt unsere Sehkraft mit seinem Lutein und die Baumblätter liefern uns Mineralien und Vitamine. Dann kommen die ersten Erdbeeren (Juhu!). Die Schwarzbeerenzeit liefert uns im Hochsommer die Antioxidantien um uns von innen gegen Sonnenbrand zu schützen und uns zu kühlen. Im August fängt die nach den Kirschen die Frucht- und Samensammelzeit (Wilde Möhre, Baumspinat, Breitwegerich, Haselnüsse, Leinsamen, Kümmel, Sonnenblumensamen, Brennnesselsamen u.s.w) an. Wilde Mirabellen und Kirschpflaumen werden reif und Erdbeeren gibt es immer noch! Im Herbst versorgt uns die Natur mit kalorien-, protein-, und fettreichen Früchten, die uns Wärme spenden. Bis in den Dezember hinein kann man noch Fülle ernten. Speziell Geschenke wie der Fliegenpilz helfen uns um Sonnenwend herum, in die tiefen unserer selbst zu versinken und Inneschau zu halten. Die Natur ist eine Mutter; die Mutter Erde die uns nährt, wärmt, heilt, trägt, reinigt und liebt….Man muss die Fülle nur erkennen.

Alles kommt im eigenen Lebensraum zusammen

Wie ich schon im Beitrag über das eigene Retreat erwähnte, ist der eigene Lebensraum in einer Kulturlandschaft, wie wir sie in Mitteleuropa vorfinden ein essentieller Ort. Ich nutze mit grosser Dankbarkeit sowohl die wilden Geschenke nach denen ich in Wäldern und offener Flur suche, die Gewächse von unseren Gartenbeeten, als auch Erzeugnisse aus der biologischen und biodynamischen Landwirtschaft (ausserhalb unseres Hofes). Unser Lebensraum ist jener Ort, an dem die scheinbar getrennten Welten (Wildnis, Agrarflächen und Garten) zusammenkommen. Wir leben im absoluten Überfluss an Naturalien! Wenn du willst, kannst du das auch! Jeder*e der sich der mehr-als-menschengestalteten Natur zuwendet, wird diese unglaubliche Fülle sehen und nutzen können. Es ist viel Stressfreier als sich auf die Topkultivierung einzelner Pflanzen zu konzentrieren. Dabei wird man im Kopf klarer, im Körper leistungsfähiger, in der Leber weniger giftig, unabhängiger von Apotheken und Supermärkten, sowohl Covid19 als auch Covidpropaganda resistenter, und mit unserem wilden Herz mehr verbunden.

Wir wünschen euch von Herzen eine spannende und erfolgreiche Sammelzeit!          

 

Youtube-Kanäle die dich ebenfalls interessieren könnten:

Unser YT-Kanal: https://www.youtube.com/channel/UCFtyH5s2hpekI2X_SuHhwkg

Bei Buschfunkistan gehts ums Pflanzen- und Pilzesammeln, Entdecken und Lernen von unserer Mitwelt: https://www.youtube.com/channel/UCdC_O-II9DnIWh_BVM8mmow   

Bei Cloud oder Vamos gehts um Permakultur und Transitionbewegungen: https://www.youtube.com/c/VZirkeldreher/videoshttps://www.youtube.com/c/VZirkeldreher/videos

Um Wildkräuter und Rohkost gehts bei Silke: https://www.youtube.com/channel/UCN1cY6r27dkRGfbmfkNofNw

Wie man seinen Backyard (ein kleiner Garten hinter Häusern in den Suburbs grosser Städte) in einen Paradiesgartenverwandelt erklärt auch John Kohler auf Englisch hier: https://www.youtube.com/user/growingyourgreens

Hier noch ein Video gefilmt von Markus Rothkranz über das Rohkost Cafè des Turtle Lack Refuge (sehr inspirierend) : https://www.youtube.com/watch?v=pDDfJC5n-D0

  

4 Kommentare zu „Aussaat im August, Selbstversorgung ohne Stress und die Sommerfrage: Wohin mit der ganzen Ernte?

  1. Geliebter Erdwandler,

    Danke für den schönen Beitrag. Ich konnte gar nicht aufhören zu lesen, und die Frage: Was muss ich nicht tun?, hab ich mir sofort gemerkt. 🙂 Deine Gedanken sind wahrlich bereichernd.

    Segensreiche Grüße * Luxus

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  2. Ich freue mich über weitere spannende Beiträge! Danke!

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    1. Gern geschehen. Die werden kommen.

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  3. Hallo Joscha, wenn Du nach der Aussaat von Steinfrüchten fragst, hast Du bestimmt Holzers Permakultur bereits studiert. Was hast Du für einen Boden, wieviel Jahresniederschlag, Höhenlage, ph-Wert usw.?
    Sehe ich im Hühnervideo Gänsefingerkraut? Das weißt auf verdichteten Boden hin.
    Es gibt hier in der Nähe einen alten Hohlweg, der von Wildkirschen gesäumt ist, die sich über die Jahre immer wieder aussäen. Ob die Kerne zuvor durch einen Tiermagen gegangen sind, ist unbekannt.
    Versuche es mal, die Kerne im Bokashi zu fermentieren.
    Mirabellen kann man meines Wissens einfach in die Erde stecken und die ausgespuckten Pfirsichkerne erzeugen unerwünschten Nachwuchs (falls es kein Ausläufer war).
    Die Kirschen keimen da, wo viel Humus ist: entweder unerwünscht auf den Gemüsebeeten oder unter der Falllaubschicht. Die Gemüsebeete werden mit der Doppelgrabegabel behandelt. Da fallen Samen immer mal in unterschiedliche Tiefen.
    Ansonsten ist der Boden irgendetwas zwischen lehmigem und anlehmigem Sand mit sehr kleiner Tonfraktion, die einen schweren Boden vorgaukelt. Gründüngung mit Sonnenblumen, Buchweizen und Phaselia hat sich bewährt.
    In den ersten beiden Jahren waren die Sonnenblumen 2-3 Meter hoch und haben die ausgewaschene Stickstoffdüngung auf der ehemaligen Landwirtschaftsfläche nach oben geholt. Sonnenblumen sind ja erste Wahl beim Entgiften kontaminierter Industriebrachen, weil die Wurzeln viele Meter in die Tiefe gehen können.
    Die Sonnenblumen säten sich immer wieder aus. Das hörte auf, als es unten nichts mehr zu holen gab.
    Mit Königskerzen passiert etwas ähnliches. Sie säen sich aus, bis die Bodenverdichtung nachlässt. Auch das Hirtentäschen ist von selbst nahezu verschwunden.
    Meine Methode war, alles an Sämereien über die Fläche zu streuen, was im vorherigen Garten angefallen war: Petersilie, Rettich, Gewürzfenchel, Akelei, Königskerze, Sonnenblume. Feldsalat kam zufällig über Erde mit.
    Nicht gejätet und dadurch gefördert habe ich z.B. Ackerstiefmütterchen, Erdrauch, Erigeron, Johanniskraut.
    Wind und Trockenheit lassen Quecken und Disteln gedeihen. Erstere ziehe ich bei Nässe heraus und letztere schneide ich auf den Gemüsebeeten ab.
    Bleiben noch die Brennesseln, die vom Gehölzrand auf die Fläche gezogen sind…
    Und etwas Schafgarbe.
    Vor der Pflanzung von Obstbäumen habe ich immer wieder (2-jahrigen) Steinklee verwendet.
    Auf großer Fläche musst Du ihn vor dem Aussamen abmähen, wenn es zuviel wird.
    Ich habe hier noch ein altes EM-Journal mit einem Artikel über Bodenvorbereitung vor Pflanzung von Obstbäumen. Wenn es von Interesse ist, kann ich demnächst noch darüber svhreiben.
    Liebe Grüße
    Lisa

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