Bekämpftes Superfood. Sind Erdmandeln wirklich nur invasiv?

Folgender Text entstand (Originaltitel: Erdmandelgras – Ein Problem oder nicht?) als Handout einer Gruppenarbeit und ist bewusst wissenschaftlicher geschrieben. Es werden Fachbegriffe aus dem Agrarbereich erwähnt die möglicherweise einer Ecosia oder Duckduckgo-Recherche bedürfen. Die Autoren sind: Murielle Neuhaus, Eliana Thyda Sy und Joscha Boner

1. Einleitung
Die Meinungen zu der Erdmandelgras-Pflanze gehen weit auseinander, Superfood einerseits, ProblemUnkraut andererseits.
Dem Namen entsprechend, bildet das Erdmandelgras Cyperus esculentus kleine Wurzelknollen, sogenannte Erdmandeln, die im Boden den Winter überdauern. Die kleinen Knöllchen bleiben nach der Bodenbearbeitung an den Maschinen hängen und werden so unbemerkt in weitere Felder verschleppt. Besonders im Gemüse- und Ackerbau kann es, aufgrund des dichten Bewuchses, zu Ernteeinbussen und -behinderung kommen (LANAT Amt für Landwirtschaft und Natur, 2019). Aufgrund der massiven Ausbreitung in den letzten 30 Jahren, wird das Erdmandelgras als invasiver Neophyt gehandelt und steht auf der Schwarzen Liste (Bohren & Keller, 2019). Die Agroscope hat bereits verschiedene Bekämpfungsstrategien entwickelt und getestet, sowie ein Merkblatt herausgegeben (Bohren, 2016).
Es gibt verschiedene Ökotypen des Erdmandelgras. Der Kulturtyp Cyperus esculentus var. sativus, auch “Tigernut” oder zu Deutsch Tigernuss genannt, unterscheidet sich vor allem durch seine Frostempfindlichkeit von der Wildform und wird in Spanien und Afrika angebaut (Hufschmid, 2014). Die Knöllchen überzeugen durch den hohen Gehalt an Nähr- und Mineralstoffen. Die Mandeln sind in der Schweiz als Lebensmittel noch wenig verbreitet. Sie werden als Snack, in Form von Flocken, Öl, Mus, Milch oder auch Mehl in Reformhäusern angeboten.
In diesem Handout werden einerseits die Schwierigkeiten im Gemüse- und Ackerbau, aber auch die vielseitige Verwendung der Tigernuss als Lebensmittel aufgezeigt.

2. Steckbrief
Das Erdmandelgras ist ein einjähriges Sauergras und gehört zu der Familie der Cyperaceae. Der Stängel ist dreikantig, markgefüllt und hat keine Nodien. Die Blätter sind hellgrün bis gelblich glänzend und haarlos. Die Blattspreiten sind v-förmig und haben eine deutliche Mittelrille. Der typische Blütenstand ist eine Rispe und trägt bräunliche oder gelbliche Ährchen (Info Flora, 2019). Das Gras keimt ab April bis in den Herbst hinein aus den Wurzelknöllchen. Aus einer Mutterknolle können sich bis zu 5 Triebe entwickeln. Neben dem Trieb wachsen Rhizome aus der Mutterknolle, an deren Ende weitere Knollen und Triebe gebildet werden. Auf diese Weise kann eine Mutterknolle über 700 Tochterknöllchen erzeugen. Die Knöllchen dienen als Überwinterungsorgan, können aber auch bis zu 6 Jahre im Boden ruhen und erst bei passenden Bedingungen auskeimen (Bohren, 2016).

Abbildung 2: Blüten und Knollen (Mandeln) des wilden Erdmandelgrases


3 Erdmandelgras auf dem Feld
Wie in der Beschreibung oben erwähnt, ist das Erdmandelgras ein invasiver Neophyt, welcher nicht nur die einheimische Flora verdrängt, sondern auch Schäden in der Landwirtschaft verursacht. Das Erdmandelgras gilt als ernstzunehmendes Unkraut, da es sich unter günstigen Bedingungen explosionsartig verbreiten kann. Das Unkraut ist schwer zu bekämpfen, da es über ein enormes vegetatives Vermehrungspotential verfügt. In der Landwirtschaft führt dies zu Ernteerschwerungen, Nährstoffkonkurrenz der Kulturpflanzen und teilweise hohen Ernteausfällen. Laut Agroscope, können durch seine Anwesenheit, bei Kartoffeln bis zu 40 % und Zuckerrüben sogar bis zu 60 % der Ernte ausfallen (Bohren, 2016).

3.1. Bekämpfung
Verschleppung verhindern
Es besteht die Gefahr, dass Erntemaschinen, welche auf verschiedenen Feldern zum Einsatz kommen die kleinen «Knöllchen» des Erdmandelgrases verschleppen. Es sollte darauf geachtet werden, dass alle Geräte, verschmutzte Strassen und Wege gründlich gesäubert werden (Hufschmid, 2014). Ausgerissene Erdmandelgräser sollten nicht auf dem Kompost, sondern in einer Kehrichtanlage oder Deponie entsorgt werden, um eine Verschleppung zu verhindern (agridea, 2017).

3.1.1 Mechanische Bekämpfung
In einem Versuch von Agroscope, fand man heraus, dass sich in den ersten 15 cm des Bodens fast 90 % der Speicherorgane des Erdmandelgrases befinden (Bohren, 2016). Indem man den Boden mechanisch umgräbt, werden die Knöllchen, aber vor allem die jungen Triebe und Rhizome zerstört. Zudem kann, wenn im richtigen Stadium (2-5 Blattstadium) der jungen Pflanzen angewandt, eine Neubildung der Mandeln durch die Pflanzen verhindert werden. Eine wiederholte Bodenbearbeitung zwischen Mai-Juni führt zu einer Reduktion des Bestandes (Hufschmid, 2014).

Abbildung 3 Lebenszyklus des Erdmandelgrases, Agroscope 2011


3.1.2 Herbizideinsatz
Herbizide können bei jungen Pflanzen angewandt werden. Bei grösseren Befallsherden und grösseren Mengen an Knöllchen im Boden, ist die Wirkung unbefriedigend. Glyphosat wirkt nur bei jungen Pflanzen (2-5 Blattstadium). Herbizide werden während des Nachauflaufes im Frühjahr, bei Winterweizen, Triticale und im Mais vor der Saat in den Boden eingearbeitet (Bohren, 2016). Die Herbizide wirken vor allem gegen die oberirdischen Pflanzenteile. Somit wird die Absamung und die Konkurrenz des Erdmandelgrases, gegenüber der Kulturpflanzen, gebremst. Schlussendlich reicht ein einzelner Einsatz mit Herbizid nicht aus und führt längerfristig nicht zu erwünschten Resultaten.

3.1.3 Fruchtfolge
Eine geregelte Fruchtfolge hilft, das konkurrenzstarke Erdmandelgras zurückzudrängen. Besteht bereits ein Bewuchs, so sollte auf konkurrenzschwache Kulturen wie Kartoffeln und Wurzelgemüse verzichtet werden. Mit Getreide, Mais und Kunstwiesen, d.h. konkurrenzstarken Kulturen, kann der explosionsartige Austrieb gehemmt werden. Diese Kulturen laufen schnell auf und bedecken den Boden grossflächig (agridea, 2017).

Abbildung 4: Erdmandelgras nimmt langsam den Rote Beete Acker ein.
Wie gut sich Wollschweine und, wie hier im Bild, bunte Bentheimer Schweine zur Erdmandelgrasbekämpfung eignen, wird gerade getestet.

4. Erdmandeln auf dem Teller

4.1. Nicht nur ein Unkraut!
Das Wort “Unkraut” ist sehr anthropozentrisch. Unsere jetzige Landbewirtschaftungsform hat sich nur noch nicht an die Pflanzen angepasst, die von alleine wachsen. Im Falle des Erdmandelgrases, dessen natürliche Aufgabe es ist, offene Böden vor Erosion zu schützen, in dem es sie in Windeseile besiedelt und mit seinem Wurzelgeflecht zusammenhält, findet auf Hackfruchtäckern und zweijährigen Schlammfluren ( Delarze & al. 2015) optimale Bedingungen vor. Langsam wachsende Hackfrüchte wie Zwiebeln, verdrängen durch ihre spärliche Belaubung die aufkommenden Erdmandelgräser kaum.
Erdmandeln gehören in vielen Ländern Afrikas und Teilen Südeuropas zu den Grundnahrungsmitteln.
In Ländern wie dem Niger und Burkina Faso werden verschiedene Kultivare der Erdmandel angebaut und säckeweise auf den Märkten verkauft. Die Züchtungen haben, im Vergleich zur Wildform, riesige Rhizomknollen, deren Ernte sich nur dann wirklich wirtschaftlich lohnt. In der Region Valencia (Spanien) wird aus dem Erdmandelmehl die berühmte „Horchata de Chufa“ hergestellt; es handelt sich dabei um eine Art Milchgetränk. Die Knollen der Chufa (Erdmandel) sind so süss, dass sie ohne Zucker auskommen würden (sie werden sogar als Süssungsmittel eingesetzt), doch die Spanier süssen gerne mit grossen Mengen der kristallinen Substanz nach. Der Gesundheitsbonus des Gewächses verfällt dadurch natürlich. Als Grundnahrungsmittel werden sie geschätzt, da Erdmandeln schnell und langanhaltend sättigen. Durch ihren enormen Fett- und Ballaststoffgehalt, gelangt die, in den Knollen enthaltene Glukose nur langsam ins Blut. Einmal dort angelangt, kann sie direkt vom Körper verwendet werden (z.B. im Hirn); da der Fruktosegehalt nur gering, die Glukose dafür den Löwenanteil ausmacht, wird die Bauchspeicheldrüse entlastet. Die vielen Mineralien, sorgen ebenfalls für eine schnelle Sättigung.

Abbildung 6: Die leckere Horchata de Chufa

4.2. Ein gesunder Neophyt
Die Erdmandel hat nicht nur hierzulande praktisch keine Schädlinge und breitet sich ungeheuer aus, sondern ist dabei für die menschliche Gesundheit eine Wunderknolle, bzw. Wunderrhizome. Wie schon oben erwähnt, kann die Glukose als Hauptkohlenhydrat (prozentual) in der Knolle, direkt vom Körper aufgenommen werden. Dank der Aminosäure L-Arginin, wird die Chance einer Insulinresistenz (Diabetes Typ 2) gehemmt. Erdmandeln sind bestens dazu geeignet, um auch Diabetikern das Leben zu versüssen. Da es, im Unterschied zu tierischen Produkten kein LDL-Cholesterin besitzt, hilft es bei der Vorbeugung von Herz-Kreislauferkrankungen; diese sind nur so nebenbei gesagt die häufigste Todesursache in Mitteleuropa.

Erdmandeln können bei Konzentrationsschwäche helfen, das Hirn auf Trab zu bringen. Die resistente Stärke wird nicht für den Körper direkt, sondern für die Darmflora als Präbiotikum verstoffwechselt, was unsere Helfer im Dickdarm enorm fördert.
Der hohe Eisengehalt hilft bei der Bildung von Hämoglobin und der Aufrechterhaltung des Energiehaushalt des Körpers. Kalium und Magnesium sind für die Muskeln und Nerven essentiell, wobei die Erdmandeln 700mg/100g bzw. 60mg/100g Mg liefern. Kalzium ist ein wichtiges Elektrolyt (Ca2+) und essentielles Element im Knochenaufbau. Deshalb ist die Milch aus Erdmandeln bestens als Tiermilchersatz geeignet (und schmeckt dazu noch hervorragend).
Von der Familie der Poaceae und den Sauergräsern wissen wir, dass sie bis zu 90 Mineralien und Spurenelemente akkumulieren. Ein Frischpresssaft aus den Halmen, kann so mit dem Chlorophyll, eine gute Quelle für Spurenelementes sein.
Erdmandelöl wird zur Hautpflege und Behandlung von Ekzemen eingesetzt. Innerlich angewandt wirkt sein hoher Vitamin E-Gehalt antioxidativ. Zusammen mit dem Rutin, einem weiteren Antioxidanten, kann es Radikale fangen und so Zellen schützen, was bei Krebs, Dauerstress, zu hoher UV-Belastung, den Folgen von Alkohol, Zigaretten und intensiven Fleischkonsum essentiell ist.
Nun zu den kulinarischen Vorzügen der Tigernut, wie sie im Englischen auch genannt wird. Erdmandeln sind in Mitteleuropa noch ein echter Geheimtipp (hier wird wiederum von der kultivierten Pflanze mit den grossen Knollen gesprochen). In der Schweiz wird sie fast nicht angebaut, obwohl dies sehr gut möglich wäre, wie es uns ihre wilde Form auf den Äckern zeigt. Erdmandelmus kann als gesunde Alternative zu Nussnougatpalmölaufstrichen verwendet werden und so jedes Frühstück bereichern.

5. Zusammenfassung
Das Sauergras…. gilt in der Schweiz als invasiver Neophyt und Unkraut, der auf Hackfruchtäckern zu Erntebehinderungen und -ausfällen führt. Erdmandelgras wird vor allem via seiner Vermehrungs- und Speicherknollen, den sogenannten Mandeln, über Resten an Bodenbearbeitungsmaschinen verbreitet. Eine Bekämpfung durch Herbizide bringt nur kurzfristigen Erfolg, da nur oberflächliche Pflanzenteile betroffen sind. Eine zusätzliche Bodenbearbeitung zur Zeit der Ausläuferbildung, eine angepasste Fruchtfolge mit Pflanzungen von konkurrenzstarken Kulturen auf betroffenen Feldern, sowie die Bekämpfung mit Wollschweinen scheinen einen nachhaltigeren Erfolg und die Schonung des Bodenlebens zur Folge zu haben. Kultivare des Sauergrases werden in Länder Afrikas, sowie Südeuropas als Grundnahrungsmittel für ihre Süsse, die langanhaltende Sättigung sowie seiner vielen Mineralien wegen geschätzt. Diabetikern kann die glukosehaltige Erdmandel, mit der Beihilfe ihrer Ballaststoffe das Leben versüssen.

6 Quellenverzeichnis
-agridea. (2017, März). Erdmandelgras, Knöllchen Zypergras. Abgerufen von http://www.agridea.ch
-Bohren, C. (2016). Agroscope Merkblatt Erdmandelgras Nr. 47/2016. -Eidgenössisches Departement für
Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF, Agroscope.
-Bohren, C., & Keller, M. (2019). Erdmandelgras. Abgerufen 23. April 2019, von https://www.ag roscope.admin.ch/agroscope/de/home/themen/pflanzenbau/pflanzenschutz/herbologie/souchet-comestible.html
-Hufschmid, T. (2014, November). Merkblatt Erdmandelgras. Abgerufen 23. April 2019, von https://www.liebegg.ch/upload/rm/merkblatterdmandelgras2.pdf?_=1539952818000
-Info Flora. (2019). Art Info zu Cyperus esculentus. Abgerufen 23. April 2019, von https://www.infoflora.ch/de/flora/cyperus-esculentus.html
-LANAT Amt für Landwirtschaft und Natur. (2019). Erdmandelgras: kombiniert bekämpfen. Abgerufen am 1. April 2019, von https://www.vol.be.ch/vol/de/index/landwirtschaft/landwirtschaft/pflanzenschutz/pflanzenschutzberatung/knoellchenzyperngras.html

7 Abbildungsverzeichnis


Beitragstittelbild: Cyperus esculentus, Erdmandelgras, http://www.freenatureimages.eu, Bild: Piet Zomerdijk

Abbildung 2: Erdmandelgras-Blüte oben, Knöllchen unten, http://www.infoflora.ch

Abbildung 3: Lebenszyklus des Erdmandelgrases, Agroscope 2011

Abbildung 4: Erdmandelgras in Randen, https://pbs.twimg.com

Abbildung 5: Schweine als Erdmandelbekämpfer, oekohof-flaeming.de 4

Abbildung 6: Horchata de Chufa, das Erdmandelgetränk aus Valencia, http://thevegancorner.com

2 Kommentare zu „Bekämpftes Superfood. Sind Erdmandeln wirklich nur invasiv?

  1. Detlef Schmidt 15. August 2022 — 00:34

    kann man das laub der erdmandel essen? ich denke- es handelt sich bei der erdmandel um eine pflanze, die es hier im umfeld- das war früher alles wasserreich und sumpfig- zu finden war, bevor die bauern in bayern von ohren bergen herunterkamen um kaiser und könige zu werden.
    mit ihnen gab es die wasserverdrängung überall- da man wasser eher nicht schätzte!
    früher hatte man einfach zugegriffen- das laub sozusagen, wie eine sode aus dem wasser gezogen- und sowohl das laub, als auch die kleinen knollen direkt gegessen.
    laub und knollen sollen süßlich schmecken: das weiss ich nicht!
    ich bin bei recherchen zu diesen sachen- denn bekanntlich gibt es keine literatur zu solchen damals verwendeten pflanzen und tieren!
    man hat diese soden, die sich selbst sozusagen aufschoben- schlicht den schweinen abenso- damals aßen die leute das, was auch das vieh bekam, mit dem sie zusammen in einem raum lebten als futter gegeben und daraus auch eine art grütze gekocht, die man selbst und die tiere fraßen.
    ich habe mir gerade diese samen bestellt- weil ich einiges selbst ausprobieren möchte- zum beispiel habe ich große töpfe mit feigen, die leider dazu neigen schnell auszutrocknen- da will ich diese gräser unterpflanzen um als verdunstungsschutz das wasser zu halten- sozusagen lebensgemeinschaften zu bilden!
    ebenso habe ich zitronenbäume, bei denen das gleiche geplant ist.
    alle pflanzen befinden sich in wohnräumen- also unter temperaturen, die so um die 18-20 grad ausprägen!
    wisst ihr- ob man – ich habe dazu nichts gefunden im internet – das laub essen kann?

    detlef schmidt
    wilmersdorfer straße 159
    10585 berlin

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    1. Lieber Detlef
      Erdmandeln gehören zu den Sauergräsern und sind meiner Kenntnis nach essbar; aber nicht unbedingt geniessbar. Was du meist ist wahrscheinlich die Wassernuss (Trapa natans). Eine einheimische/essbare Wasserpflanze, die heute aber nicht mehr so verbreitet ist. LG Joscha

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