Landschaften lesen und verstehen Teil 2: Lebensräume erkennen, verstehen und kopieren.

Falls du die Einleitung zum Themenblock Landschaft lesen und verstehen noch nicht gelesen hast, kann ich dir empfehlen dies noch zu tun. Den Link dazu findest du am Ende dieser Seite. Jener Beitrag wir dir helfen, diesen hier besser zu verstehen. Sei dir bewusst, dass dies ein riesiges Feld ist und die Zusammenhänge vielleicht nicht von vornherein klar sind. Ich versuche mein Bestes, um die verschiedenen Lebensräume möglichst einfach zu erklären; aber ich bin auch noch auf dem Weg und die Natur mit all ihren Facetten komplex und geheimnisvoll. Die Elemente jener Biotope sind wie verschieden Instrumente in einer Gruppe von Musizierenden die alle ähnliche Neigungen haben. Sie spielen im Orchester der Landschaft, die zusammen mit anderen das Konzert der Erde spielen.

Eine Landschaft besteht aus den Summen ihrer Teile. Diese Teile sind, wie bereits erwähnt, die verschiedene Lebensräume, die sich durch Bodenbeschaffenheit, pH-Wert, Höhenstufe aber vor allem durch die Zusammensetzung ihrer Arten auszeichnet. Mir ist bewusst, dass wir Menschen alles in Kategorien einteilen und dem Ganzen so das Gefühl der Einheit nehmen. Die verschiedenen Kategorien sind aber übersichtlicher und können besprochen und entdeckt werden; solange wir nicht die übergeordnete Verbundenheit vergessen!

In der Wissenschaft werden Lebensräume voneinander abgegrenzt. Die Zusammensetzung der Pflanzenarten hilft den Forschern zu bestimmen, wo sie sich gerade befinden. Ich empfehle jedem* er Permakulturinteressierten, sich mit den häufigsten Arten in seiner Umgebung vertraut zu machen. Die Lateinischen Namen zu büffeln macht keinen Spass, darum fang mit den deutschen Bezeichnungen von Pflanzen an, die du schon kennst. Sobald du einen Bezug zu dieser Pflanzenart hast, wirst du sie immer und überall wiedererkennen. Sie wird aus dem unübersichtlichen Grün herausstechen. Informiere dich über den natürlichen Standort und die Bedürfnisse deiner ausserwählten Art und finde heraus, warum sie dort wächst wo sie wächst. Langsam wirst du immer mehr Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Bedingungen erkennen, die diese oder jene Art zum wachsen und gedeihen braucht. So triffst du Seerosen neben Schilf, Alpenrosen neben anderen hochalpinen Arten und Waldmeister neben mächtigen Buchen. Wasserlinsen die auf Schuttkegeln neben Mauerpfeffer wächst oder Pfirsiche, die in Mitteleuropa über 1500 m.ü.M. neben Grünerlen wachsen, wirst du dagegen kaum zu Gesicht bekommen. Diese Einteilungen wurden schon grösstenteils von Ökologen*innen gemacht. Mir half ihr Wissen und die Abgrenzungen der, von ihnen definierten Lebensräume sehr, die Besonderheiten verschiedener Landschaften zu erkennen, sowie in ihre Entstehung Einblick zu erhalten.

Ich möchte Permakultursysteme planen und Essen anbauen. Was nützt mir dieses Wissen?

Wenn du diesen Wunsch äusserst und noch dazu Vielfalt schaffen möchtest, dann befindest du dich höchstwahrscheinlich in einer Kulturlandschaft. Wie es der Name schon sagt, ist diese durch menschliche Einwirkung entstanden. Land- und Forstwirtschaft, Bauten, Bergbau und Gewässerveränderungen formten sie einst. In Mitteleuropa sind diese Art Landschaft bis auf wenige Flecken die Norm. Unberührte Wildnis gibt`s hier nur noch in den Hochglanzmagazinen der Tourismusbranche, die uns immer wieder einen wildromantischen Urlaub verkaufen will. Aus Kulturlandschaften kann man viel über das Leben unserer Vorfahren und ihre Weltsichten lernen. So quasi: “Show me your Landschaft and I`ll tell you who you are”.  Wir müssen verstehen, dass sich Kulturland ständig an die kulturellen Bedürfnisse der Menschen anpasst. Warum sage ich kulturelle Bedürfnisse? Kulturell, da wir eigentlich alles in freier Natur fänden, was wir für ein gutes Leben bräuchten. Verschiedene Kulturen, Glaubenssätze, Traditionen und Nachfragen an diversen materiellen Dinge verändern sich jedoch im Laufe der Zeit. Mit ihr werden die Landschaften umgeformt um diesen Bedürfnissen nach zu kommen.

Als Beispiel: Vor 100 Jahren sah man noch viele Hochstammobstbäume in der Umgebung von Dörfern. Die Schweiz war das Land mit der höchsten Fruchtbaumdichte und exportierte sogar Obst nach Deutschland und Österreich. Die Felder waren klein, von handbewirtschaftet und der Selbstversorgungsgrad hoch. Eine Art permakulturelle Lebensweise, könnte man sagen. Heute jedoch sind die Felder riesig, die Landwirtschaft in puncto Energiekreisläufen ineffizient, die Selbstversorgung nur noch theoretisch wichtig und nur noch wenige Bäume um die Dörfer herum. Der Wald in der Schweiz ist jedoch, trotz grösserer Bevölkerung wieder ausgedehnter vorhanden. Viel Holz kommt heute von Plantagen aus dem Ausland, weil hierzulande die forstwirtschaftliche Nutzung vor allem der Bergwälder, kaum noch rentabel ist. Ausserdem heizen viel mehr Menschen mit den Resten urzeitlichen Wälder, die mit den Jahrhunderten zu Öl wurden.  Die Bedürfnisse wandeln sich ständig! Ich schweife jedoch ab…immer wieder mein Drang zur Differenzierung; ich weiss es ja! Die Texte werden immer länger…

Viele Lebensräume sind erst durch die verschiedenen Nutzungen entstanden und würden ohne regelmässige Bewirtschaftung weiter in der Sukzession fortschreiten. Die Sukzession kannst du dir als Prozess vorstellen, den ein Stück Land durchmacht, um am Schluss in der stabilsten Form zu verbleiben. Ein Erdrutsch (eine Störung im natürlichen Ökosystem) wird mit trockenheitstoleranten Pionierpflanzen besiedelt. Dann kommen die Gräser und bilden das erste bisschen Humus. Stauden (ihr alle kennt die Brombeerinvasionen!)  und kleine Gehölze können nun auf dem neuen Boden wachsen und bauen diesen noch weiter auf; dann die ersten Pionierbäume wie Birken, Ahorne, Pappeln und Vogelbeeren. Es entsteht ein junger Wald, der aber immer noch sehr viel Dynamik in sich hat. Die eher kurzlebigen Bäume werden, wenn der Boden gut genug ist, von langlebigen dominanten Baumarten wie der Buche durchwachsen und so beschattet, dass sie absterben. Der Wald ist jetzt in seinem sogenannten Klimaxstadium, in welchem, verglichen zu den vorherigen Stufen eher wenig geschieht. Das System Wald ist nun „stabil“. Genau dieses natürliche Fortschreiten nennen wir Sukzession. Sie geschieht auf der ganzen Welt in allen Klimazonen.

Landschaftsnutzung fördert, erhält und verhindert Lebensräume

Früher, als die Sojabohnen noch nicht als Futtermittel aus den Amazonasgebieten kam und noch kein Stroh und Heu aus Polen mit LKW`s angeliefert wurden, mussten die Menschen alles was sie brauchten aus ihrer direkten Umgebung sammeln, fördern oder erzeugen. Für die Tiere brauchte man Einstreu, dass man z.B. aus Riedgebieten holte. Riedgebiete sind Flachmoore die an Rändern von Seen, grösseren Flüssen, oder in dauerfeuchten Talsenken vorkommen und von Riedgräsern dominiert werden. Sie entstanden durch die Rodung feuchter Wälder.  Durch den regelmässigen Schnitt werden vom Fortschreiten in der Sukzession abgehalten (also dem potentiellen Wald). Grosseggenriede oder Magnocaricion (ja auch Lebensräume haben kompliziert klingende lateinische Namen) brauchen diesen Eingriff. Sie würden sonst zu Moorweidengebüschen (Salicion cinereae) oder Erlenbruchwäldern werden. Die menschliche Nutzung förderte also einst diesen Lebensraum und erhält ihn in seinem Stadium. Sie verhindert aber auch das Aufkommen von Erlenbruchwäldern und Moorweidengebüschen. Wenn wir die Lebensräume und Stadien kennen, zeigt uns die Landschaft, was war, was ist und einmal sein wird wenn dies oder jenes geschieht. In der Schweiz wird von konservativ orientierten Bürgern immer wieder —beinahe mantraartig— wiederholt, dass unser Land zu zwei Dritteln aus Grasland besteht. Jenes Grasland Schweiz könnte man nur durch Tiere veredeln in dem man Fleisch und Käse daraus macht. Leider verstehen Menschen wie die Nationalrätin Barbara Kelle-Inhelder und auch viele Fachpersonen aus der Landwirtschaft nicht, dass jenes Grasland nur eine Stufe in der Sukzession ist und es nicht für immer so bleibt. Wir halten unsere Umgebung nur auf dieser, eher niedrigen und frühen Entwicklungsstufe! Im Land der Alphörner und des Landschaft-Kuhgerecht-haltens, sind die Flächen oft tatsächlich zu steil für Ackerbau, weshalb das Argument der Tierhaltung durchaus Wert hat. Mehr dazu gibt’s im Beitrag Die Milchwirtschaft, der unten verlinkt ist.

Lebensräume bilden sich oder vergehen auch ohne Menschen 

Der Titel sagt schon aus, dass auch Wälder im Klimaxstadium irgendwann alt werden und Bäume umfallen. Das einfallende Licht gibt dann lichtbedürftigen Pflanzen ein Zuhause, denen es vorher im Unterwuchs zu dunkel war. Winterstürme und Waldbrände zerstören, schaffen aber gleichzeitig wieder neue Nischen. Felsen erodieren, werden zu Boden, sedimentieren und werden wieder zu Fels. Moore wachsen, Tümpel und Seen entstehen und verlanden wieder…….it`s the ciiircle, the circle of Life!

Wenn wir begreifen, dass nichts statisch ist auf dieser Welt und auch wir, in unserer ganz eigenen Dynamik im Kreis des Lebens verwoben sind, dann können werden wir erst beginnen, die Welt um uns und in uns zu verstehen!

Erdwandler

Permakultursysteme, die nicht den Regeln der lokalen Umgebung und ihrer natürlichen Entwicklung anpassen werden zugrunde gehen oder nur unter massivem Energieaufwand zu erhalten sein; permanent ist anders!

Im nächsten Teil des Kapitels Lebensräume, gehen wir Schritt für Schritt auf die verschiedenen Biotope und ihre Besonderheiten ein. Wir werden im Wasser starten und uns über Wälder und alpine Lebensräume langsam Richtung kulturlebensräume bewegen. Dabei lernen wir, zu beobachten und die spezifischen Gegebenheiten für uns Nutzen zu können. Anmerkung: Wir Menschen brauchen auch Wildnis; nicht alles muss mit Swales oder anderen Permakulturelementen bestückt werden!

Um überhaupt diese Reise antreten zu können, empfehle ich dir, diesen Blog zu abonnieren. Es ist kostenlos und werbefrei. Du wirst dann immer erfahren, wenn die nächste Etappe angegangen wird. Ausserdem erscheinen immer wieder spannende Beiträge zu den Themen: Lebendige Ernährung, in Verbindung mit sich und der Welt treten, Heilkräuter und wilde Lebensmittel, Permakultur und das Leben in Harmonie mit der Natur. Wenn du die Impulse dieser Beiträge mit anderen Menschen teilen möchtest, dann hilf mir doch bitte unsere Mitmenschen zu inspirieren, in dem du genau das tust. Vielen Dank fürs Lesen, Teilen und Du sein!

Verlinkte Beiträge:

Landschaften lesen und verstehen Teil 1:https://erdwandler.com/2019/09/13/landschaften-lesen-und-verstehen-einleitung-zum-themenblock/

Der Milchwirtschaft: Hat sie Zukunft: https://erdwandler.com/2019/02/03/die-milchwirtschaft-hat-sie-zukunft-oder-werden-trinken-wir-weniger-muttermilch-trinken/

Titelbild: Fruchtfolgeflächen, abgerufen von https://www.jgk.be.ch/jgk/de/index/raumplanung/raumplanung/arbeitshilfen/fruchtfolgeflaechen.html

2 Kommentare zu „Landschaften lesen und verstehen Teil 2: Lebensräume erkennen, verstehen und kopieren.

  1. Patrick Sakelschegg 24. Dezember 2019 — 09:39

    Vielen Dank! Ich freue ich auf weitere Beiträge von dir! Alles Liebe Patrick

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

search previous next tag category expand menu location phone mail time cart zoom edit close