Ich mache Selbstversorgung! Meine Fehler nach drei Jahren, damit du sie nicht auch machen musst.


Es scheint ein grosser Wunsch vieler Menschen zu sein, sich komplett vom „System“ abzuschotten und als Selbstversorger sein Leben zu verbringen. Die Sehnsucht nach einem einfacheren Leben in idyllischer Natur, mit Tieren, einem blühenden Garten, Ruhe, sauberer Luft und einer zutiefst befriedigenden Tätigkeit schürt diese Wünsche noch stärker an. Ich war einer davon. Nach 3 Jahren intensiver Erfahrung als „Selbstversorger“ ziehe ich/wir ein Résumé.


Woher kam der Wunsch?


Schon mein ganzes Leben lang ist die Natur meine grösste Liebe. Als ich mit 6 Jahren mein erstes 1m2 Gartenbeet bewirtschaftete, verband sich diese Liebe mit der Erkenntnis, dass ich mit dieser Natur und meiner eigenen Kreativität eine eigene Schöpfung hervorbringen kann. Kurzum: Es fühlte sich einfach nur schön und richtig an.
Während des Aufwachsens realisierte ich langsam: Ausser mir und meinen „Gärtnerfreunden“ (die alle schon grauhaarig waren) teilt niemand diese Leidenschaft teilten. Für die meisten ist ein Garten zwar schön, aber ein mühseliger Umschwung, den man immer „pflegen“ muss.

Meine Werte und mein Verhalten waren schon immer irgendwie anders. Nachdem ich durch viele Umwege zur pflanzlichen Ernährung; und wurde erst dann so richtig wütend!


Disclaimer: Nein, vegane Ernährung besteht nicht nur aus Gras und Körnern. „Praktizierende“ kommen dadurch nicht in einen Nährstoffmangel, der sie prinzipiell militant und wütend macht! Sie sehen einfach „das Gewohnte/Normale“ plötzlich aus einer vollkommen anderen Perspektive. Eine Perspektive, in der der westliche Mensch – die Krone der Schöpfung- nicht alles ausbeuten sollte, was nicht bei drei auf dem Baum ist.


Zuerst habe ich die Flut an Emotionen auf „das System“ im Allgemeinen gelenkt. Ich sah nur noch (nicht wirklich „NUR NOCH“) Habgier, Brutalität und Zerstörung. Nach einer Weile wurde mir bewusst: Die Menschen sind in einem komplexen System von Glaubenssätzen, Ängsten, Religionen und Versprechungen gefangen und können deshalb nicht aus ihrem Herzen heraus und mit klarem Verstand entscheiden. Da auch ich ein Teil „dieses Systems“ war, musste ich mich davon ablösen.

Durch meine gärtnerische Erfahrung wusste ich um den Qualitätsunterschied zwischen Supermarkt und Selbstangebautem. Aber durch meine Heilungsgeschichte mit veganer vollwertiger Ernährung und später Rohkost, spürte ich die Auswirkungen am eigenen Leib. Da gute Lebensmittelqualität in Bioläden kostspielig ist, musste ich also selbst Hand anlegen. Als mir das erstes Buch über „Permaculture and how it works“ in die Hände fiel, begann ich mich ernsthaft mit Selbstversorgung auseinanderzusetzen.


Damals lebte ich in Neuseeland. Ein Land, in dem die erstaunlich gleichgebliebene, importierte, englische Gärtnerkultur und auch in der Kolonie einen grossen Wert in der Gesellschaft hat. Gärtnern war dort nicht nur ein mühseliger Akt der „Umschwungs“-Pflege, sondern eine „skillfully nurtured creation by a dedicated craftsman“. Neben der vielen Bestätigungen von Mitmenschen auf ihrem Heilweg mit einer Ernährungsumstellung, wurde meine Liebe und meine Erfahrungen im Gartenbau geschätzt und verstanden.
(Für meine Schweizer Leserschaft: Mit Gartenbau meine ich nicht nur Landschaftsbau, sondern vor allem den Anbau von Pflanzen)

Doch auch das füllte mich langfristig nicht aus. Ich suchte nach mehr. Die Erzählungen von Wolf Dieter Storl, Christian Rätsch, die Überlieferungen von Hildegard von Bingen, Hieronymus Bock, das Werk von Maria Treben, Pfarrer Künzli und auch die unglaubliche Kulturpflanzenvielfalt in Europa, brachten mich zurück. Zurück auf einen Kontinent mit so reicher Geschichte und noch mehr Menschen. Einem Kontinent, auf dem jedes Plätzchen hart umkämpft schien.

Kaum wieder zurück in meinem Heimatdorf, restaurierte ich die Beete des alten Gemüsegartens auf dem Grundstück meines Vaters. 2017 war ein grandioser Sommer mit genügend Regen und „wüchsigem“ Wetter. Auf den neuen Schichtmulchbeeten mit den vielen Nährstoffen, schossen mir Kürbisse, Tomaten, Zucchini und andere Starkzehrer nur so entgegen. Doch auch hier erfüllte mich das Gärtnern nicht komplett. Ausserdem konnte ich nicht den ganzen Tag im Garten verbringen. Ganz im Gegenteil zu meinen pensionierten Nachbarn, die Geld, Platz und ein Bedürfnis für Beschäftigung im Übermass hatten; im Unterschied zu mir.


Es dauerte aber noch bis 2019, bis -mittlerweilen zwei von uns- wir uns entschieden, in den Aargau auf 3 Hektaren Land zu ziehen, um aus der Enge des Dorfes in Graubünden auszubrechen, in dem wir damals lebten.
Voller Elan gestaltete ich eine 2000m2 fast im Alleingang innerhalb von 1.5 Jahren in einen ertragreichen Garten um. Ich konnte mich nicht mehr halten vor Freude, endlich mal genügend Platz zu haben und niemanden der über die „Wildnis“ meckerte.


Das grosse C, spielte zu dieser Zeit in unserem Leben eine unbedeutende Rolle. Unser Immunsystem ist stark und wir waren zu beschäftigt für das Mediendrama darum. Mit zunehmender Grösse des Projektes stieg natürlich auch der Arbeitsaufwand; gleichzeitig mit einer der finanzielle Belastung, das System mit Wohnung auch erhalten zu können. Da wir nicht einfach so extern arbeiten gehen und uns noch weniger diesem sozialen Drama und einem möglichen Druck hin zur Nadel hingeben wollten, folgten wir weiterhin unseren innersten Wünschen nach Unabhängigkeit und das Leben in einem lebenswerten Lebensraum.


Mit vielen Erfolgen. Wir schafften es tatsächlich, nach vielen Rückschritten, Wege zu finden, die uns nicht nur finanziell Überwasser, sondern auch mental und körperlich fit hielten. Der finanzielle Aspekt war aber mit grossem Abstand der Schwierigste. Wir bekamen unglaublich viele Dinge geschenkt und Hilfe hatten wir auch in vielerlei Hinsicht. Doch was es tatsächlich braucht, um in einem teuren Land wie der Schweiz ein solches Projekt über die ersten Hürden zu bringen, haben wir total unterschätzt. Dazu kam: Das Dorf, in dem der Hof lag, hat nicht unbedingt auf Menschen gewartet, die es mit heilenden Biogemüse, torffreien Setzlingen und Kräutern versorgt. Wir hatten einige tolle Kunden, doch die Nachfrage reichte trotzdem nicht, um uns langfristig ein Auskommen zu geben. Märkte wurden abgesagt und wir mussten uns etwas anderes überlegen.


Sind wir zu schnell gewachsen?


Wenn Pflanzen zu viel Kunstdünger erhalten, schiessen sie in die Höhe, machen enorm viel Biomasse, sind aber anfällig auf Krankheiten. Auch ich musste und muss viele Erfahrungen erst selbst sammeln, um danach auf jenen Weisheiten zu bauen. In meinem Elan konzentrierte ich mich zu sehr aufs Gärtnern (ja, das geht tatsächlich) und weniger auf Struktur, Planung und vor allem meine eigenen Bedürfnisse. Es klingt irgendwie traurig, aber ich lechzte nach dem Wunsch, es selbst und genau so auszuprobieren. Dadurch konnte ich in kürzester Zeit ein grosses Spektrum an Fähigkeiten und Erkenntnissen aufbauen; Autodidaktik als Vollzeitbeschäftigung.

Meine Partnerin hat viele Fähigkeiten, die ich nicht habe. Sie half mir in dieser intensiven Zeit, nicht vollkommen auszubrennen oder mich komplett zu verzetteln. Rückblickend wäre es weiser gewesen, langsamer mit kleinerem Garten zu starten und generell viele Dinge anders anzugehen. Wir hätten uns viel Geld, Mühe und auch Streitigkeiten zwischen uns und anderen ersparen können. Doch hätte, hätte Fahradkette! Die gesammelte Lebenserfahrung kann uns niemand mehr nehmen. Das hat nichts an meiner Liebe zum Gärtnern geändert!


Die Verherrlichung der Selbstversorgung


In der medialen Beschäftigung des Kollektives wich das C-Phänomen, einem Konflikt in der Ukraine. Die Menschen in Mitteleuropa beschäftigten sich das erste Mal seit Jahren mit einem möglichen Mangel. Auch Menschen, die bisher das ganze Narrativ verteidigten, erkannten, dass „ihre“ Politik sich nicht immer um sie kümmern kann/wird. Das Thema Selbstversorgung als Alternative war plötzlich wieder mehr oder weniger im medialen Fokus.

Wir wurden von verschiedenen Medien porträtiert und als Selbstversorger dargestellt. Da unserer Erfahrung nach, eine sehr grosse Menge Menschen denkt, dass sie zwei Hochbeete zu Selbstversorgern macht, versuchten wir zwar zu relativieren, doch akzeptierten wir das Label, das uns aufgeklebt wurde. Wir wussten, dass wir so noch mehr Menschen mit unserer Message erreichen würden. Auch Hochbeete können wunderbare Ertäge liefern!


Unser Outing


Wir sind KEINE SELBSTVERSORGER, weder all unserer Lebensmittel noch den Laptop, auf dem dieser Text geschrieben wurde -geschweige denn das Lithium seiner Batterie- haben wir eigenhändig angebaut oder abgebaut! CottageCore-Romantik ist eine Kunstform und keine Realität!

EHRLICH LEUTE, SCHAUT EURE BEDÜRFNISSE UND FÄHIGKEITEN GENAU AN, SCHREIBT SIE AUF UND LEST SIE EIN HALBES JAHR SPÄTER. ENTSCHEIDET ERST DANN AUS DER RUHE HERAUS, BEVOR IHR SOWAS VOLLZEIT MACHT! Wir sind im Anbau von Nahrung, deren Verarbeitung und der Anwendung von Heilpflanzen erfahren und haben uns trotzdem komplett übernommen. Selbstversorgung ist nicht schlecht, aber jeder, der sich wirklich mit allem selbstversorgen möchte, lebt entweder asketisch oder in einer grossen und erfahrenen Gemeinschaft, die die gleichen Werte teilt.

Es ist äusserst schwierig, sich im Vorhinein ein klares Bild zu schaffen. Speziell in der Schweiz wird die Landwirtschaft in der Werbung so sehr romantisiert, dass es mir speiübel wird. Heimische Landwirtschaft und Gartenkultur können nur dann ohne Subventionen, Niedriglöhne und billigen Kraftstoffen (früher Sklaven, Arbeitstiere, Verdingkinder oder kostenlose Frauenarbeit) funktionieren, wenn auch eine Gemeinschaft vorhanden ist, die die Kosten dieser Form des Nahrungsanbaus auch zu bezahlen bereit ist und die Menschen schätzt, die sich jeden Tag, zu oft miserablen Löhnen den Arsch aufreissen. Es ist wirklich sau viel Arbeit. Aber auch Selbstversorger können nicht alles abdecken. Wenn wir uns wirklich zu einem hohen Grad selbstversorgen wollten, dann sähen die Anbausysteme, die Ernährung, die Bauverordnungen und vor allem die Werte, die unsere Gesellschaft wirklich vertritt, ganz anders aus! Ausserdem muss sich jeder von uns entscheiden, wie wichtig ihm/ihr die Selbstversorgung ist und wieviel Lebenszeit wir ihr wirklich widmen wollen….

Hier waren wir bei TalkTäglich. Interview auf Schweizerdeutsch.

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Und jetzt?

Es ist eine grosse Reise mit vielen Erfahrungen. Ich kenne einige Menschen, die sehr autark leben. Autarkie ist eine spannende und wichtige Sache, die aber niemand von uns komplett allein schaffen kann. Wir haben daraus gelernt und unser Leben abermals enorm gewandelt. Als Resultat sind wir nun noch viel effektiver in unserer Arbeit, entspannter und glücklicher denje.


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Das Interview bei TalkTäglich uf Schwiizerdüütsch

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