Wildpflaume – Ein Baum mit tausend Möglichkeiten

Wildpflaumen sind nicht nur ein merkwürdiges Spezialinteresse von mir, sondern ein Baum, der ungeahnte Vielfalt bietet. So viel, dass ich ihm einen ganzen Beitrag widme.

Der folgende Text soll dich daran erinnern, dass wir von Naturschätzen umgeben sind, die nur darauf warten, von dir und mir entdeckt zu werden. Mit jeder Entdeckung und dem Teilen meiner Beiträge hilfst du dabei mit, unsere Kultur/Küche/Geschichten mit dem anzureichern, was direkt vor unserer Nase wächst. Stück für Stück entsteht so ein neues Bild und neue Wertanschauungen von unserer Mitwelt.

Notiz vom Autor: Dieser Artikel sollte eigentlich schon vor 2 Jahren raus, doch ich habe den Zeitpunkt immer verpasst. Nun blühen sie wieder, die wilden Pfläumchen, und für Dich, meine liebe Leserin/Leser, gibt`s es diesen Beitrag von mir über eine so wundervolle Pflanze. Viel Spass.

Entweder weiss (oder wie hier rosa) blühen die wilden Pflaumen! Foto: baumschule-horstman.de

Gehasst und geliebt

Unter dem Begriff Wildpflaume kann man verschiedene Bäume der Prunus-Gattung zusammenfassen. Von Kirschpflaume, Krieche, Spille, wilde Mirabelle, Dattelpflaume, Kreuzungen dazwischen, ist vieles dabei. Was sie vereint: Alle Arten sind sehr robust, tragen Früchte und sind sehr gesund. Sie sind wirklich praktisch unterhaltsfrei! Ein Baum der Faulen… Wildpflaumen findet man oft als Alleebäume mit grünem oder rotem Laub. Viele Menschen hassen ihn, weil seine Früchte so viel „Dreck“ machen. Erstaunlich wenige Menschen wissen um deren kulinarischen Wert. Wer hier bereit dazu ist, aus seinem „Werteviereck“ herauszutreten, kann ein ganzes Wildpflaumenuniversum entdecken! Du wirst niemals wieder über diesen Baum fluchen!

Um die Wildpflaume musst du dich nicht kümmern

Die Bäume sind in Teilen der Schweiz sogar Bestandteil des Waldrandes und wichtiger Futterlieferant vieler Tiere. Da sie nach der Weide sehr früh im Jahr blüht, gibt sie Bienen eine wichtige Futterration nach dem langen Winter. Der Baum ist äusserst robust und meist auch samenfest: Das heisst, du musst eine gefundene Lieblingssorte nicht nur durch Veredelung vermehren, sondern kannst dir einfach eine der hunderten Früchte nehmen und ihren Kern wieder in die Erde stecken. Nach ein paar Jahren hast du einen Superbaum. Eine Nahrungsquelle, die nur beerntet werden muss. Geht`s eigentlich noch einfacher?

Kulinarischer Wert

Die „Wildpflaumen“ sind nicht immer die Süssesten und haben manchmal eine saure Haut. Aufgrund der vielen Arten und Kreuzungen reicht die Färbung ihrer Früchte von gelb, gelb mit roten Punkten, gelb-grün, grün, grün-gelbrot bis dunkelrot und sogar violett. Nur schon so ein richtiger eye catcher! Sie werden in den gemässigten Breitengraden auf der ganzen Welt geschätzt (ausser bei Menschen, die ihren Wert nicht kennen). In Japan sind es Ume-Pflaumen (eine Aprikosenart), die als ein Geheimtipp für ein langes Leben gilt. Die Briten haben ein ganzes Sammelsorium an „plum recipes“. In Georgien macht man ein Ketchup draus, das Tqemali heisst und in vielen Teilen werden sie auch zu Süssspeisen verarbeitet. Auch den Kern kann man verwenden (wie Aprikosenkerne, nehme ich an).

Je nach Art und Sorte ist von honignoten bis sauer/herb alles dabei. Ein Potpurri an Geschmacksschätzen! Bertie Bott´s Pflaumen in sämtlichen Geschmacksrichtungen quasi 🙂 Wer mich kennt, der weiss von meiner Begeisterung essbarer Baumblätter; die Wildpflaume ist mit ihrem zarten Bittermandelaroma im Junglaub keine Ausnahme! Sogar Desserts kannst du mit ihnen verfeinern; von den roten Antioxidantien (bei rotlaubigen Sorten) ganz abgesehen.

Was ist deine Verwendung? Schreib´s mir doch in die Kommentare!

Gesundheitlicher Wert

Die Pflaumenfamilie allgemein ist für ihre gesundheitsfördernden, manchmal aber auch für ihre „toilettengang-beschleunigenden“ Inhaltsstoffe bekannt: Vitamine, Pektine, Mineralien und Antioxidantien können den Körper wieder ins Gleichgewicht bringen und gegen Entzündungen im Körper vorgehen. In der traditionellen Chinesischen Medizin (kurz TCM), gibt es ein sehr starkes Abführmittel aus fermentierten Pflaumen im Kräutermantel: Ich spreche aus eigener Erfahrung nach einer Nacht auf dem Keramikthron.

Ich hatte die chinesischen Zeichen nicht verstanden und es für eine Süssigkeit gehalten; böser Fehler:-(

Die violetten „Sorten“ findet man auch in der Stadt häufiger.

Vielfalt

Neben der ungeheuren Arten und Sortenvielfalt (inkl. Zufallskreuzungen und kulinarisch wertvollen Wildlingen) kann man unglaublich viele weitere Vertreter der Prunus-Familie auf einen etablierten Baum draufpfropfen. Aprikosen, Pfirsiche, Pflaumen, Mirabellen, Reineclauden, Zwetschgen u.s.w. sind alle Vertreter dieser Grossfamilie. Das berühmteste Beispiel einer solchen Propfeskapade ist wohl der „tree of forty fruits“. Mit etwas Geschick kannst du dir einen ählichen Baum zuhause nach „bauen“.

Gesetzesbrecher Wildpflaume

Neben ihrer unerhörlichen Angewohnheit, die so sauber gepflegten Strassen mit ihren wunderbaren Früchten zu verschandeln, kann die Pflanze auch Gesetze brechen. Soviel ich weiss, ist es in Österreich nicht erlaubt, Obstbäume in einen bestehenden Wald zu pflanzen. Genau hier kann die Wildpflaume diese rigiden Gesetze einer vergehenden Epoche aushebeln. Dieses „entfant terrible“ unter den Bäumen kann offiziell als Holzproduzent gepflanzt werden. Doch Gesetzesschänder munkeln: Er kann sowohl beerntet als auch jedes Jahr um eine Obstart weitervermehrt (durch Veredelung) werden! Vielfalt unter dem Radar der Kontrollinstanzen, wenn das die Polizei wüsste; ein Pflaumen-Eklat!

Lass uns loslegen

Während ich in Christchurch (Neuseeland) wohnte, schwamm ich nur so in den Früchten der beiden Strassen, die gesäumt von Wildpflaumen, zu unserem Haus hinführten. Doch niemand hat sie gesammelt… Da wurde mir klar: Das Wissen muss an die Menschen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass viele Menschen dort nicht das Geld für viel Obst und Gemüse in ausreichend guter Qualität hatten!

Tipp von mir: Du kannst bei mundraub.org oder Apps wie „falling fruit“ auf Onlinekarten schauen, was bei dir so wächst und auf eine Ernte wartet. Natürlich bist du herzlich dazu eingeladen, die Karte noch zu erweitern.

Also geh mal im späten Februar-März spazieren und schau dir die blühenden Bäume an. Lerne die Wildpflaumen zu bestimmen, etwas über ihre Verwendung (ich empfehle das Rezept für Tkmali zu googlen) und lass auch andere an deinen Erkenntnissen teilhaben. Du wirst quasi zum Befruchter deines Freundeskreises (badum psss). Probier, schenke, tausche und konserviere verschiedene Früchte und stecke die Samen deiner Lieblingssorten in die Erde. Dann pflanzt du die Jungbäume in die Landschaft und hängst einen laminierten Zettel mit Infos über diesen Baum dran. Du kannst auch die Jungbäume in Töpfen verschenken, sie bereits veredeln und/oder dann verkaufen! Mit den Früchten machst du ein Marmeladenbusiness auf, machst Umeboshi draus, kannst ihren Saft mit Kombucha veredeln und mit deinem Tqemali ein Wirtschaftsimperium aufbauen und die Welt beherr…..ok, etwas zu weit gedacht, aber es lohnt sich wirklich diesen Baum kennenzulernen! Schreib mir doch in die Kommentare, was du draus machst..

PS: Gehe mit mir Wildpflanzensammeln. Hier gibt´s mehr Informationen

Tqemali: Ein unglaublich köstliches, georgisches „Ketchup“ aus Wildpflaumen.
Foto: sousguru.ru

7 Kommentare zu „Wildpflaume – Ein Baum mit tausend Möglichkeiten

  1. Avatar von Chris

    Wir essen sie nach wie vor am liebsten frisch – wenn die Früchte schon sehr reif sind, machen wir Mus daraus, mit dem wir Joghurt und Kuchen verfeinern.

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    1. Avatar von Erdwandler

      Auch Fruchtleder ist sehr gut. Wenn du willst, dann mische noch etwas süsseres Obst dazu. Lg

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  2. Avatar von Sabine Förster
    Sabine Förster 31. März 2025 — 18:51

    Hallo Erdwandler, die Kommentarfunktion funktioniert bei mir leider nicht. (wordpress-fehler wird angezeigt.) Was ich sagen wollte:

    Ja stimmt, sind sehr lecker. Ich mach normale Marmelade draus. Diese Früchte sind aber sehr Säurehaltig, was die Süße manchmal nicht erkennen lässt, je nach Sorte. Nach einem übermäßigen Konsum frischer Früchte hab ich einen Rheumaschub bekommen. Alles in Maßen also. Zu erwähnen ist noch, das diese Bäume nach einigen Jahren unterirdische Ausläufer bilden. Unter der Erde wandern holzige Wurzeln, manchmal armdick, aus denen dann dutzende und hunderte Sprösslinge entwachsen. 10 bis 20 Meter im Umkreis. Einen Teil der Pferdeweide konnte ich nach einigen Jahren vergessen. Das Zeug wird man nicht mehr los ohne riesen Aufwand. Nur die Sprösslinge abschneiden hilft nicht, man muss dann auch die langen Ausläufer unter der Erde beseitigen.  Liebe Grüße von Sabine

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    1. Avatar von Erdwandler

      Ich muss die Kommentare einzeln zulassen. Der Körper kann empfindlich auf zusätzliche Säure reagieren, wenn du sowieso schon eine Kondition hast. Schau mal, falls du es noch nicht anwendest, was die Verwendung von Brennnesseln und Giersch mit den Rheumaschüben mach. Die Ausläufer kriegst du durch Mähen, Rhizomsperren oder vielleicht sogar stetigem Zurückschneiden des Mutterbaumes in den Griff. Als Teil des Waldrandes streben Wildpflaumen danach (nicht immer), Wiesen und Weiden wieder zu Wald zu machen. Die langfristigste Lösung wäre aber eine dichte, abgestufte Waldrandbepflanzung, die dieses Bestreben natürlich mindert. Lg Joscha

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      1. Avatar von Sabine Förster
        Sabine Förster 5. April 2025 — 15:59

        Danke für Deine Antwort lieber Erdwandler.

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  3. Avatar von Sandra Müller
    Sandra Müller 1. April 2025 — 17:35

    „Unser“ Wildpflaumenbaum wächst am Waldrand, 3 Minuten weg von unserem Zuhause. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie stark die Blütenkraft ist, jeweils Ende März. Aussenschau–Innenschau verbindet mich mit diesem Baum. Innenschau will das „Wilde“, ursprüngliche nicht vergessen. Wir essen die Früchte im Spätsommer roh– oder kochen 1–2 Gläser Konfitüre. Es hat genug Früchte auch für die Tiere. 💚Dank für deine Blog Zeilen🙏.

    Betreffend Jungpflanzen ziehen…das möchte ich gerne machen. Im Prinzip stecke ich einfach einen Kern in die Erde? Danke für deine Tipps.💚

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    1. Avatar von Erdwandler

      Ja, einfach einen Kern in die Erde stecken. Muss aber einen Winter draussen bleiben, andernfalls im Kühlschrank stratifizieren,

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